Hausaufgabenbetreuung

Ein Bericht

Die Modellphase im Jugendzentrum Ochtersum, Hildesheim (3.5.–6.7.2004)

Im Juli 2004 wurde im Kinder- und Jugendzentrum Ochtersum eine Hausaufgabenbetreuung eingeführt. In der Zeit vom 3.5.–6.7. wurde das Angebot mit einer festen Gruppe erprobt. In Zusammenarbeit mit drei Lehrkräften der Orientierungsstufe Ochtersum wurde eine Gruppe von zehn Kindern einer fünften Klasse ausgewählt, denen das Angebot aufgrund von schulischen und sozialen Problemen gemacht wurde. Die Hausaufgabenbetreuung fand montags und dienstags in der Zeit von 12:30 Uhr bis 15:00 Uhr insgesamt 17 Mal statt.

Die Modellphase des Projektes wurde von der Sozialpädagogin und damaligen Berufspraktikantin der Ev. Familienbildungsstätte Viola Jeckstadt und mir als Kulturpädagogin und damaliger Mitarbeiterin des Kinder- und Jugendzentrums betreut und konzeptionell begleitet.

Für uns beide waren die Herausforderungen der neuen Aufgabe sehr bereichernd, was auch an der sehr guten Teamarbeit mit häufigem Meinungsaustausch lag. Eine funktionierende Arbeit im Team war auch äußerst notwendig, da die Anzahl der Kinder alleine nur schwerlich beaufsichtigt und gezügelt werden konnte – gerade in Situationen, in denen die Hälfte der Kinder mit den Hausaufgaben schon fertig war und beschäftigt werden wollte, während die andere Hälfte noch intensive Betreuung brauchte. Da die Kinder mit ihren Bedürfnissen und Wünschen oft sehr fordernd waren, war es hilfreich und notwendig, gemeinsam die Arbeit zu strukturieren.

Inzwischen gehört die Hausaufgabenbetreuung zum festen Angebot des Kinder- und Jugendzentrums. An zwei Tagen in der Woche werden durchschnittlich acht Kinder betreut. Eine pädagogische Kraft wird dabei jeweils von einer ehrenamtlich helfenden ehemaligen Lehrerin unterstützt.

hochHintergrund – Warum eine Hausaufgabenbetreuung?

Viele der mehr als hundert regelmäßigen Besucher des Kinder- und Jugendzentrums Ochtersum zeigen gravierende Verhaltensauffälligkeiten. Diese Beobachtungen korrespondieren mit massiven Disziplinproblemen und Lernstörungen im Unterricht, wie Lehrkräfte der Ochtersumer Schulen bestätigen.

Betroffen sind in hohem Maße Kinder aus ausländischen bzw. Aussiedlerfamilien. Deren Eltern leben häufig von Sozialhilfe, Familien sind unvollständig, Erwachsene aufgrund von Berufstätigkeit tagsüber nicht präsent. Die Eltern haben häufig gravierende Defizite in der deutschen Sprache, wenn sie überhaupt über Deutschkenntnisse verfügen.

Kinder aus diesen Familien können dem Unterricht nur eingeschränkt folgen, sie sind unkonzentriert und beeinträchtigen den eigenen Lernprozeß sowie den ihrer Mitschüler. Sie haben zu Hause nicht die Möglichkeit, Fragen zu stellen, wenn sie Probleme mit ihren Aufgaben haben. Oft fehlt auch die geeignete Umgebung, um ungestört und konzentriert Hausaufgaben machen zu können. Da sie zu Hause keine angemessene Unterstützung erfahren, erledigen sie ihre Hausaufgaben unter Umständen erst gar nicht. Unmittelbare Folgen sind schlechte Noten und mangelndes Selbstwertgefühl.

Diese Kinder fallen durch erhöhte Gewaltbereitschaft auf, da sie auf diesem Wege wenigstens durch körperliche Stärke Anerkennung oder zumindest Aufmerksamkeit erhalten. Die Folgen ihres Verhaltens können sie in der Regel nicht überblicken. Hier ist dringend präventive Arbeit gefordert, um weiteren Mißerfolgen vorzubeugen.

Das Angebot der Hausaufgabenbetreuung soll den Sozial- und Wissensdefiziten vorbeugen und entgegenwirken.

hochMethoden

hochZiele

hochEinige Erfahrungswerte

Der Hausaufgabenbetreuung standen außerhalb der regulären Öffnungszeiten des Jugendzentrums zwei Räume, der sogenannten Medienraum (25 qm) und der in sich nicht geschlossene Hauptraum (ca. 62 qm), zur Verfügung.

Durch die Unterstützung bei der Bewältigung der Hausaufgaben hatten die Kinder nach eigener Aussage das Gefühl, den schulischen Anforderungen besser gewachsen zu sein. Die Klassenlehrerin bestätigte, daß sie zum ersten Mal eine Unterrichtsstunde störungsfrei durchführen konnte, weil alle Kinder ihre Hausaufgaben hatten. So profitierte letztlich die gesamte Klasse von der Hausaufgabenbetreuung.

Bei den meisten Kindern der Gruppe fand Hilfe bei den Hausaufgaben fast nur in intensiver Einzelbetreuung statt. Diese wurde geleistet, obwohl die anderen Kinder ihre Aufgaben nicht vorwiegend selbständig und ruhig verrichteten. Intensive individuelle Anleitung war in vielen Fällen der einzige Weg, die Kinder in Bezug auf die Arbeit bei der Stange zu halten.

An konkreter Leistungsverbesserung konnten wir wenig bewirken. Die Kinder hatten auch nach Ende der Modellphase eklatante Lücken in grundlegender Materie, die so gravierend waren, daß sie im Rahmen einer Hausaufgabenbetreuung, die von der Konzeption eher auf Vorhandenem aufbaut, kaum ausgeglichen werden können. Hier wäre eine zusätzliche Nachhilfe nötig. Allerdings kann eine regelmäßige Hausaufgabenbetreuung dazu betragen, daß solche Lücken gar nicht erst entstehen.

Spiele und Gesprächsrunden nahmen einen nicht geringen Raum in der Hausaufgabenbetreuung ein. Soziales Verhalten wurde so beständig thematisiert. Diese Form des Umgehens war sehr wichtig, um die Kinder pädagogisch und individuell aufzufangen.

In diesem Rahmen wurde auch versucht, die Sprachentwicklung und die Kommunikation der Kinder zu fördern. Dies ist in Ansätzen gelungen, jedoch sind die Defizite der Kinder im sprachlichen Bereich nach wie vor groß. Die meisten der Kinder waren nicht in der Lage, logisch und strukturiert von einem Erlebnis zu berichten.

Die Einhaltung von Regeln und Absprachen fiel den meisten Kindern schwer. Sie versuchten immer wieder, Anweisungen zu umgehen, jedoch akzeptierten sie uns grundsätzlich als Autoritätspersonen und lernten, mit den Regeln umzugehen. Bei einigen Kindern zeigte sich eine starke Hyperaktivität. Möglicherweise finden diese Kinder in ihren Familien nicht genügend Grenzen zur Orientierung, so daß es ihnen schwer fällt, aber auch gut tut, ihre Grenzen wahrzunehmen. Die von uns vorgegebene Struktur und unser Verhalten gaben ihnen einerseits Halt, andererseits waren sie ihnen lästig.

Die Arbeitsmaterialien haben in Teilen immer gefehlt. Die Kinder halfen sich jedoch erfreulicherweise untereinander aus. Auch haben wir selbst – gezwungenermaßen ausgeholfen, so daß ein Arbeiten möglich war. Bei vielen Kindern fehlte das Bewußtsein dafür, was zum Arbeiten nötig ist. Diesbezüglich war es schwer, die Kluft zwischen Anspruch und Realität zu überbrücken: Hilft es denn, den Kindern mehr Ordentlichkeit aufzuzwingen, wenn sie schon beim Begreifen des Stoffes große Schwierigkeiten haben? Warum ist Ordentlichkeit so wichtig? Wie können wir diese Wichtigkeit den Kindern vermitteln?

hochFazit

Trotz des schwierigen Sozialverhaltens und den eklatanten, kaum aufholbaren Wissenslücken der Kinder gelang es uns, sie bei der Hausaufgabenanfertigung zu unterstützen und ansatzweise ihr Fehlverhalten zu thematisieren. Die von den Kindern gefühlte Verbesserung ihrer schulischen Situation, die uns zugeschriebene Funktion als Freund und Bezugsperson und die große Motivation, an der Hausaufgabenbetreuung teilzunehmen, sprechen für den Erfolg des Projektes.

hochRegeln der Hausaufgabenbetreuung

  • Die Teilnahme an der Hausaufgabenbetreuung ist verbindlich. Die Anmeldung gilt bis zum Ende des Schulhalbjahres.
  • Wenn Du unentschuldigt fehlst, kannst Du von der Hausaufgabenbetreuung ausgeschlossen werden.
  • Wenn Du wegen Krankheit nicht zur Hausaufgabenbetreuung kommen kannst, versuche uns zu informieren. Bring beim nächsten Mal eine Entschuldigung Deiner Eltern mit.
  • Wir erwarten von Dir, daß Du Deine Arbeitsmaterialien und Dein Aufgabenheft immer vollständig dabei hast.
  • Wir erwarten von Dir, daß Du Deine Hausaufgaben sauber und ordentlich anfertigst. Das kann auch bedeuten, daß Du eine Aufgabe nochmal abschreibst.
  • Wir erwarten von Dir, daß Du bereit bist, Übungsaufgaben zu machen.
  • Wir erwarten von Dir, daß Du beim Aufräumen mithilfst.
  • Wir erwarten von Dir, daß Du über Dich und Dein Verhalten nachdenkst. Wenn Du Probleme hast, Dich an die Regeln zu halten, werden wir mit Dir ein Gespräch unter vier Augen führen.
  • Wir erwarten von Dir, daß Du unsere Anweisungen akzeptierst.
  • Wenn Du trotz mehrmaliger Ermahnungen
    • ständig störst und andere vom Arbeiten abhältst,
    • andere beleidigst, beschimpfst oder Dich über sie lustig machst,
    • pausenlos quatschst oder herumschreist,
    mußt Du die Hausaufgabenbetreuung zeitweilig oder ganz verlassen.

August 2004