Der Gute Abend – im Knast (2.4.2000)

Die Stadtteilshow der Bremer Kulturwerkstatt Westend

Fast zufällig rutschte ich während meines Praktikums im Bremer Kulturzentrum Westend (14.2.–2.4.2000) in die Planung und Realisierung der monatlichen Veranstaltungsreihe Der Gute Abend hinein. Seit 1998 präsentiert die Stadtteilshow in einem ebenso unterhaltsamen wie informativen Rahmen spannende und unkonventionelle Themen an unkonventionellen Orten, so z.B. der Feuerwache 5 oder dem Hallenbad West. Die aufgegriffenen Themen sind von aktuellem Interesse, wie bei der Thematisierung der Pläne und Initiativen zur Umgestaltung der alten Hafenreviere. Jeder Ort wird mit einem besonderen, auf den äußeren Rahmen zugeschnittenen und durch ihn inspirierten Programm bespielt, in dem sich künstlerische Beiträge von experimentell bis unterhaltsam mit engagierten aber auch sehr persönlichen Interviews zum jeweiligen Thema abwechseln. Ziel ist es, die Zuschauer in einer persönlichen Atmosphäre mit Nicht-Alltäglichem in Verbindung zu bringen und so einen Austausch zwischen Mensch und Umwelt anzuregen.

Von der ersten Planung bis hin zur Realisierung konnte ich den Guten Abend miterleben und -gestalten, angefangen bei der Sammlung der ersten Ideen, über Recherche, Vor-Interviews bis hin zur Stadtteilshow am 2.4.2000 in einem nicht genutzten Trakt der JVA Oslebshausen (ehemaliges Polizeigewahrsam). Einige Stationen dieser Vorbereitung waren:

8.3.:
Gespräch mit Uni-Professor Dr. Feest, der seine Utopie über die Frage Brauchen wir überhaupt Gefängnisse? entwickelte.
23.3.:
Termin mit Frau Köstermann in der Bremer Bürgerschaft.
Frau Köstermann war Mitglied des Vereins »Mauern öffnen e.V.«, und hatte es ermöglicht, dass ein in der Bildhauerwerkstatt der JVA entstandener Beton-Esel in Bronze gegossen werden konnte. Deshalb sollte sie beim Guten Abend auftreten.
30.3.:
Sichtung der Knast-Videos.
Da es nicht möglich war, Gefangene bei der Veranstaltung auftreten zu lassen, wurden deren Statements durch Video-Collagen vermittelt. An mehreren Tagen wurden 45-minütige Interviews mit freiwilligen Gefangenen über das Leben im Knast und wie man damit umgeht geführt. Aus diesem mehrstündigen Material galt es nun, wenige prägnante Aussagen aufzubereiten.
31.3.:
Plakate kleben, Zuschneiden der Plakate, Aufbau im Knast

Etwa 100 Besucher hatten am 2.4. die Möglichkeit, die Stadtteilshow zu besuchen. Zuvor wurde die Personalausweisnummer registriert und bei Eintritt in die JVA der Ausweis vorgelegt. Die Veranstaltung fand in einem engen zeitlichen Rahmen zwischen 17:00 Uhr und 19:30 Uhr statt – ein Zeitrahmen, den es einzuhalten galt, da er sich auf die offiziellen Einschlusszeiten bezog. Eingeleitet wurde die Veranstaltung mit einem kurzen Video von einem fiktiven Strafantritt, in dem Einlass, Identitätsfeststellung, Formalitäten, Einschluss etc. gezeigt wurden.