Wir erstellen einen Stop-Motion-Film

Workshop-Bericht und -Ergebnis der Dienstagsgruppe

Im Mai 2011 fanden an der Hainschule Bamberg in jeweils vier anderthalbstündigen Einheiten erstmals zwei Workshops mit dem Thema »Stop-Motion-Film« statt. Am Dienstagskurs nahmen drei Mädchen und sechs Jungs teil. Der Kurs setze sich zusammen aus acht Drittklässlern und einem Viertklässler.

hochFilm














hochDrehbuch

Die Dienstagsgruppe entwickelte eine Verfolgungsjagd, die als gewöhnliche (oder doch eigentlich ungewöhnliche) Altagsszene anfängt. Der Stop-Motion-Film »Der Vorfall« umfasst acht Szenen: Ein Mann mit einem Koffer steht an einem Blumenbeet. Eine Frau schüttet dem Mann versehentlich beim Blumengießen Wasser auf den Kopf. Als dieser schnell weggehen will, läuft sie ihm hinterher, um sich zu entschuldigen. Bei einem gemeinsamen Spaziergang entdecken die beiden eine Pizzeria und beschließen, gemeinsam essen zu gehen. Sie bestellen eine Pizza. Plötzlich kommt ein Räuber in das Lokal und klaut den Koffer des Mannes. Doch ein Polizist hat alles auf der Überwachungskamera mitverfolgt. Als der Dieb zur Flucht ansetzt, nimmt der Polizist die Verfolgung auf. Auf der Flucht kommt der Räuber an einem Pferd vorbei, mit dem er weiter reitet, auch der Polizist nimmt sich ein Pferd. Die wilde Jagd führt an einem Friedhof vorbei. Im waldigen Gelände versucht der Räuber, sich hinter einem Busch zu verstecken, sein Pferd verjagt er, um seine Spuren zu verwischen. Doch der Polizist bemerkt ihn trotzdem – der Räuber hat seine Pistole auf dem Gehweg verloren – und verhaftet ihn. der Koffer wird sichergestellt, in ihm befindet sich eine Menge Geld. Der Polizist bringt den Räuber ins Gefängnis. Er schließt ihn in eine Zelle und geht ab.

Wie der Film der Montagsgruppe umfasst dieser Film insgesamt ca. 650 Bilder, einschließlich eines Vorspanns mit ca. 25 Bildern und eines Abspanns mit ca. 180 Bildern. Auch hier sind Bilder vervielfältigt, Abfolgen wiederholt, Fadeins/-outs eingefügt. Der reine Stop-Motion-Teil (449 Bilder) hat bei einer Abspielrate von 3,58 Bildern pro Sekunde (angepasst an die Länge der Filmmusik) eine Dauer von 2 Minuten und 9 Sekunden. Der vollständige Film hat eine Dauer von 3 Minuten und 18 Sekunden. Die Filmmusik, »Rag for Richy« von Frank Harper, begleitet nur die Filmszenen. Ich danke Frank Harper herzlich für die Bereitstellung des Stückes.

hochErlebnisse und Beobachtungen während des Workshops

Auch die Dienstagsgruppe kam schon mit eigenen Ideen in den Kurs. Auffällig an den Story-Ideen der Kinder war, dass sie oft die Motivation, Gedanken und Gefühle der Figuren beschrieben, die sich natürlich in einem Stop-Motion-(Stumm-)Film nicht so einfach darstellen lassen. So besprachen wir immer wieder, wie sich die die Intentionen der Protagonisten und die Logik der Handlung am besten vermitteln ließen.

Besonders beeindruckend fand ich, dass sich die Kinder von meinen wiederholt geäußerten Bedenken oder Einwänden, dass wir all die Gegenstände und Objekte, die sie in ihrem Drehbuchentwurf planten, nicht hätten – keine Hochhäuser, keine Straßencafés, keine Autos und Landschaften für kilometerlange Verfolgungsjagten –, nicht abschrecken ließen, sondern gleich mit Enthusiasmus verkündeten: „Das können wir doch alles zeichnen!“ Ich für mich reduzierte das Drehbuch im Kopf soweit herunter, dass die geplante Geschichte auch mit symbolischer Minimaldarstellung funktionieren würde und so die Geschichte der Kinder umsetzbar blieb, als sich dann aber beim nächsten Treffen sofort wie selbstverständlich kleine Gruppen bildeten, die mit der Herstellung der Kulissen begannen, war ich beeindruckt, welch klare Vorstellung die Kinder von der Umsetzung ihrer Story hatten.

Die Kinder brachten von Anfang an sehr viele kreative Ideen ein – so machten sie z. B. den Vorschlag, die Gärten und Wege des Szenenbildes auf dem Boden des Klassenzimmers mit Erde und Blümchen vom Schulhof zu gestalten. Sie nutzten mich bei Fragen der Umsetzung, sprachen sich aber vor allem untereinander ab und hatten dabei klare Vorstellungen für die benötigten Kulissen und teilten die Aufgaben untereinander auf.

Während wir in der Montagsgruppe alle paar Bilder das Kamerakind wechselten und auch bei allen anderen Aufgaben rotierten, bildeten sich in der Dienstagsgruppe Arbeitsgruppen und Schwerpunkte heraus: Einige Kinder waren praktisch nur mit dem Bühnenbild beschäftigt – Szenenbild aufbauen, Figuren umstellen – andere waren fast nur an der Kamera, wieder andere bastelten und malten hauptsächlich an den Kulissen.

Viele Ideen entstanden direkt bei der Arbeit: Es war klar, dass ein Polizist den Räuber verfolgen würde, doch wie sollte dieser von dem Überfall erfahren? Würde er zufällig des Weges entlang kommen? Sollte der Kellner telefonisch die Polizei verständigen? Die Kinder fanden eine meiner Meinung nach sehr elegante Lösung, indem sie einfach den Polizisten durch die Aufnahmekamera schauen ließen, die so zu einer Überwachungskamera wurde.

Um die Verfolgungsjagd durch möglichst viele unterschiedliche Landschaften zu führen, benutzten die Kinder die große Waldkulisse doppelt und veränderten sie hierzu. Die Kulisse wurde mit weiteren Faunaelementen versehen, der See wurde aus der Erdlandschaft entfernt, welche nun mit Büschen bewuchert war – dargestellt mit Rasen- und Moosbüscheln.

Die Kinder nannten ihre Geschichte »Der Vorfall« und wählten damit einen bewusst unbestimmt gehaltenen Titel. Der Titel sollte nicht zu viel verraten und neugierig machen. Es bleibt dem Betrachter überlassen, was nun der eigentliche Vorfall ist.