Wir erstellen einen Stop-Motion-Film

Im Sommerschulhalbjahr 2011 fanden an der Hainschule Bamberg im Rahmen des Kursangebotes des Fördervereins Hainschule e. V. in jeweils vier anderthalbstündigen Einheiten erstmals zwei Workshops zum Thema »Stop-Motion-Film« statt. 2013 wurde das Projekt mit weiteren Kursen fortgesetzt. Nachfolgend beschreibe ich Konzept und Ablauf der einzelnen Einheiten. Besondere Erlebnisse in den Gruppen sowie die jeweils entstandenen Filme stelle ich gesondert dar.

Jeder Film besteht aus statischen Einzelbildern. Der filmische Effekt, die Illusion von Bewegung, entsteht beim Betrachter, wenn Einzelbilder in schneller Abfolge gezeigt werden. Ab einer Frequenz von etwa fünfzehn Bildern pro Sekunde werden sie durch das Zusammenwirken von Stroboskopeffekt und Nachbildwirkung (Trägheit des Auges) nicht mehr als Einzelbilder, sondern als Bewegung wahrgenommen. Kinofilme werden in der Regel mit 24 Bilder pro Sekunde aufgenommen. Angesichts der Langwierigkeit der Arbeit sowie der begrenzten Zeit, die uns zur Verfügung stand, setzte ich als Ziel für unseren Stop-Motion-Kurs einen Film von einer Minute bei drei Bilder pro Sekunde (gleich 180 Bilder insgesamt) an, um unrealistischen weil nicht realisierbaren Vorstellungen entgegenzuwirken.

hochErstes Treffen

Ich begann den Stop-Motion-Kurs mit einer kurzen Erläuterung in den Inhalt des Kurses und interviewte die Kinder dann, was ein Stop-Motion-Film denn sei. Als nächstes ließ ich sie eine kurze Versuchsszene entwickeln und fotografieren. Die Übung diente dazu, die Kinder besser einschätzen zu können und sie frühzeitig mit dem mühseligen (und mitunter frustrierenden) Aspekt der Stop-Motion-Technik vertraut zu machen und so mit falschen Vorstellungen aufzuräumen.

Als nächstes besprachen wir die Filmstory, die wir mit Lego-Figuren umsetzen wollten. Ich sehe meine Rolle bei der Entwicklung einer Filmstory mit Kindern darin, die Ideen und Phantasien der Kinder festzuhalten, zu strukturieren, miteinander in Beziehung zu setzen – vor allem aber auch erst einmal einfach zu sammeln, was da so alles kommt. Dies ist in der Regel ein eher chaotischer Prozess. Mein pädagogisches Konzept ist wenig verschult und gibt keine feste Anweisungen oder Regeln vor. Kindern fällt es schwer, einander zuzuhören, wenn sie selbst gerade für eine eigene Idee brennen. Zudem sind die Erklärungen und Darstellungen von Kindern oft recht kompliziert und ausführlich lang, was ebenfalls den innere Druck der anderen Kinder erhöht, endlich zu Wort kommen zu wollen. Eine erhöhte Lautstärke sowie ständiges Einander-ins-Wort-Fallen sind oft die Folge. Ich staune jedesmal wieder, wenn ich dann beim nächsten Treffen feststelle, dass sich die so chaotisch aus Versatzstücken zusammengebaute Filmstory plötzlich in eine klar strukturierte Geschichte verwandelt hat. Am Ende der ersten Stunde habe ich oft das Gefühl, dass einige Kinder eher frustriert oder unbefriedigt sind, wohl weil sie unterschwellig spüren, dass das Konzept der Geschichte noch nicht so ganz ausgereift ist – sie haben noch keine genaue Vorstellung davon, was sie im Kurs eigentlich machen werden. In den nächsten Tagen bildet sich dann die Story in den Köpfen heraus und ist klar greifbar.

Die restliche Zeit der ersten Einheit nutzen wir, um mit der Umsetzung der ersten Szene zu beginnen. Bei diesen ersten Fotos ließ ich die Kinder größtenteils machen, sofern ich den Eindruck hatte, dass sie nicht überfordert oder verunsichert waren. Ich erklärte die Technik und gab Hinweise für Kamera und Szenenbild, kontrollierte aber das Ergebnis nicht. Die so entstandenen Bilder waren für mich ein Anhaltspunkt, wieviel Hilfe an welchen Punkten notwendig sein würde.

hochZweites Treffen

Beim ersten Treffen hatte ich einige Vorschläge gemacht, was die Kinder zu Hause zur Ergänzung unseres Films vorbereiten könnten. Ich überließ es dabei den Kindern – ihre Lust und ihrem Engagement – ob sie tatsächlich auch außerhalb des Kurses Zeit investierten. Um so mehr freute es mich, dass die Kinder tatsächlich meine Impulse aufnahmen.

Wir begannen das zweite Treffen mit dem Anschauen der beim letzten Mal gemachten Fotos als Animation. Das Ergebnis war schlecht: die Abstande zwischen den einzelnen Phasen waren viel zu groß, die Konsitenz der Bewegung nicht gegeben – mitunter vertauschten die Figuren ihre Position. Den Kindern war schnell klar, dass es besser wäre, die Szene nochmal zu drehen, und machten sich konzentriert an die Umsetzung. Bei den neuen Aufnahmen achteten sie sehr darauf, die Fehler vom ersten Mal zu vermeiden. Allerdings ist es nur schwer zu verhindern, dass immer mal wieder Kinder im Hintergrund zu sehen sind. Das Kamerakind konzentriert sich in erster Linie auf die Szene mit den Figuren und hat nur den kleinen Bildschirm der Fotokamera zur Kontrollmöglichkeit – so gerät der Bildhintergrund zuweilen aus dem Bewusstsein. Zudem kommt es durch die intensive Körperlichkeit speziell der Jungs oft zu Rempeleien, wodurch sich die Kameraposition verschieben kann. Zwar überprüfte ich immer wieder Szenenausschnitt und Bildkonsistenz, ließ den Kindern jedoch auch viel Eigenständigkeit – schließlich sollte es ihr Film werden.

Im Rahmen der fotografischen Arbeit behandelten wir verschiedene Aspekte der filmischen Arbeit: Ausleuchtung der Szene (Gegenlicht, Schatten), Aufnahmewinkel, statische oder bewegte Kameraposition – sowie ihre Vor- und Nachteile. Immer wieder schärfte ich den Kindern ein, dass sie so viele Bilder wie möglich machen sollten mit möglichst minimalen Veränderungen, dass es auch einmal okay sei, wenn sich nur ein oder zwei der Protagonisten bewegten. Die Kinder erinnerten sich in der Folge auch immer wieder gegenseitig an solche Aspekte.

In der Regel beendeten wir jedes Treffen mit dem Anschauen der an diesem Tag entstandenen Bilder als Animation. Die Kinder hatten dabei besondere Freude daran, sich die Szene in unterschiedlichen Geschwindigkeiten anzeigen zu lassen, von einem Bild pro Sekunde hin zu 30 Bildern und mehr. Das Betrachten der Bilder war somit immer sehr unterhaltsam. Nachdem wir die Animation einige Male hatten ablaufen lassen, betrachteten wir die Szene Bild für Bild, und besprachen, was gut und was nicht so gut funktionierte.

hochDrittes Treffen

Die von den Kindern erstellten Aufnahmen wurden von mir im Anschluss an jede Kurseinheit digital nachbereitet, d. h. ich „entwackelte“ die Szenen, indem ich die Fotos neu ausrichtete und zuschnitt, verlängerte ggf. Szenen durch Vervielfältigung mancher Bilder und fügte ein Fadein bzw- Fadeout hinzu. Ein Fadeout (engl. für „ausblenden“) ist ursprünglich ein tontechnischer Begriff, der die abklingende Lautstärke am Ende eines Tonsignals beschreibt. Der Term wird analog auch im Graphikbereich für das Ausblenden von Graphik oder Animationen, z. B. in reines Schwarz oder Weiß, verwendet (bzw. beim Fadein für das Eingeblenden in die Szene).

Wir begannen das Treffen, indem wir uns die beim letzten Mal entstandenen Bilder als Film anschauten, im Anschluss betrachteten wir die nachbearbeiteten Bilder als Film und besprachen die Unterschiede. Auch hier ging es u. a. wieder darum zu analysieren, wie sich die Szenen schon in der Aufnahmephase verbessern ließe bzw. worauf man besonders achten sollte. Dann machten wir uns nach dem bekannten Muster an die Aufnahme der weiteren Szenen.

hochViertes Treffen

Bei unserem letzten Treffen ging es darum, den Stop-Motion-Film zu einem Ende zu bringen. Deshalb machten wir machten uns relativ unverzüglich an die Aufnahmearbeiten.

Als Schluss-Gag fotografierte ich die Gruppen und improvisierte mit ihnen eine kleine Stop-Motion-Szene, in der sie selbst die Rolle der Lego-Figuren übernahmen. So winken wir alle zusammen zum Schluss dem Zuschauer zu.

hochUrheberrecht und Datenschutz

Im Vorfeld zum Kurs hatte ich zur Lego-Gruppe Kontakt aufgenommen, um zu erfragen, ob wir einen mit Lego-Figuren gedrehten Stop-Motion-Film auch veröffentlichen bzw. damit an Wettbewerben teilnehmen dürften. Da es sich um ein schulisches bzw. pädagogisches Projekt handelt, war dies kein Problem – es könnte aber eines sein, deshalb sollte man in solchen Fällen immer den Urheber eines Werkes um Erlaubnis fragen.

Die von uns verwendeten Musikstücke stehen zwar unter »Creative Commons«-Lizenz, was den Download und das private Anhören angeht, für die (kommerzielle) Nutzung muss man jedoch eine Lizenz erwerben. Aus diesem Grund nahm ich auch hier Kontakt zu den Urhebern auf, welche sich freuten, dass wir die Stücke verwenden wollten, und sie uns freundlicherweise zur Verfügung stellten. Die Musikstücke stammen von der Internet-Plattform »Jamendo«. Die verwendeten Stücke sind »Danger« von Weightless im Stop-Motion-Film »Hain Wars« und »Rag for Richy« von Frank Harper im Stop-Motion-Film »Der Vorfall«. Zudem verwenden wir als Hintergrundbild bzw. für das Fading das Foto »A starry sky above Death Valley National Park« von Mbz1. Für die Überlassung der Medien möchte ich mich herzlich bedanken.

Auch in anderer Hinsicht habe ich versucht, die Kinder (und Eltern) zu sensibilisieren. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist im bundesdeutschen Recht das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Für mich als Medienpädagoge bedeutet das, keine Fotos zu veröffentlichen, von denen ich nicht die Zustimmung dazu von den Abgebildeten bzw. des Erziehungsberechtigten habe. Niemand sollte leichtfertig mit seinen personenbezogenen Daten umgehen – dies zeigt auch die Diskussion um Internet-Plattformen wie »Schüler-VZ«.